WZ-Nr. 145: Ein Gebet und was daraus geworden ist ...

Vor einiger Zeit übermittelte mir eine liebe Freundin wohlmeinend das nachfolgende Gebet der Theresa von Avila (1515–1582), der Gründerin des Nonnenordens der ‹Barfüssigen Karmelitinnen›, mit dem Hinweis, dass eigentlich das Wort ‹Gott› nur durch den Begriff ‹Geist› ersetzt werden müsse:
Oh Herr, du weisst besser als ich, dass ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde. Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.

Erlöse mich von der grossen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen. Lehre mich, nachdenklich (aber nicht grüblerisch), hilfreich (aber nicht diktatorisch) zu sein. Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit erscheint es mir ja schade, sie nicht weiterzugeben – aber du verstehst, oh Herr, dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.
Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen um zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu – und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.
Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich möchte keine Heilige sein – mit ihnen lebt es sich schwer –, aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken und verleihe mir, oh Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.

Nach dem ersten flüchtigen Überfliegen war ich gleicher Meinung und fragte mich sogar, ob das Gebet in abgeänderter Form nicht etwas für die ‹Stimme der Wassermannzeit› sei. Also legte ich Billy einen abgeänderten Ausdruck vor und fragte ihn um seine Meinung. Nachdem er die Sätze gelesen hatte, meinte er, dass auch das abgeänderte Gebet nicht für eine Veröffentlichung geeignet sei, weil aus jedem Satz religiöser Sektierismus und Fanatismus spreche. Eine Veröffentlichung sei nur denkbar, wenn das Ganze umgeschrieben werde, wozu er aber keine Zeit habe. Also setzte ich mich selbst mit dem Gebet der Theresa von Avila auseinander, und daraus ist nun folgendes geworden: