Ein Blick in die Irrungen religiösen Glaubens

In der Erklärung ‹Dominus Jesus› benutzt die katholische Kirche sogar den Begriff Glaubenswahrheit, wobei im besagten Schreiben die Mitchristen evangelischen Glaubens wohl ausgeschlossen sind. Am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) wurde nämlich eindeutig beschlossen und erkannt, dass nur in der katholischen Kirche die ‹einzig wahre Religion› verwirklicht sei.

Wer sich mit der Geisteslehre befasst, dem sträuben sich natürlich die Nackenhaare bei Worten wie ‹Glaubensgewissheit› oder ‹Glaubenswahrheit›. Wenn schon die Worte Glauben und Wahrheit kombiniert werden sollen, dann allenfalls so: «Es ist wahr, dass die katholische Kirche auf einem Glauben aufgebaut ist.» Die deutsche Sprache ist ja bekanntlich sehr flexibel und weitgehend offen, wenn es um die Kombinierung von Worten geht. Diese Freiheit der Begriffsgestaltung garantiert aber nicht, dass jegliche Kombination in sich selbst stimmt. Das Wort Glaubensgewissheit kommt etwa dem gleich, wie wenn jemand sagen würde: «Gestern Nacht herrschte eine gleissend helle Dunkelheit.» Das Wort Glaubensgewissheit versucht etwas zu verbinden, was sich unmöglich verbinden lässt. Die Erfindung solcher Wortkombinationen durch die Kirchenoberen muss wohl als eine Art Befreiungsschlag gesehen werden in dem Sinne, dass die Diskrepanz zwischen vergangenheitsgewandtem Glauben und wissenschaftlichem Fortschritt vernebelt werden soll. Die Kleriker und die Theologen usw. versuchen mit der Nutzung solcher Euphemismen (Beschönigungen), etwas Irreales in Wahrheit umzuzwingen, nämlich das Schönreden eines üblen Zustandes. Mit der Koppelung der Worte Glauben und Gewissheit oder Glauben und Wahrheit soll dem Gläubigen (und wohl auch sich selbst) vorgegaukelt werden, dass es sich bei einem Glaubensinhalt um Wahrheit handle. Eine Art sprachbasiertes Wunder, das unbewussterweise möglicherweise auf einem unbewussten Sehnen nach einem wirklichen Wunder fundiert, denn bekanntlich ist die Zeit der grossen Wunder ja seit Christi bzw. Maria Himmelfahrt vorbei. (Auf die kleinen Wunder, die zur Ernennung vieler Heiliger durch die katholische Kirche geführt haben, will ich hier gar nicht erst eingehen.)