Die Erde kämpft gegen uns um ihr Überleben

BILD-Interview mit Ernst Ulrich von Weizsäcker
Von H.-J. Vehlewald

BILD: Steht die Menschheit vor einer Zeitenwende beim Klimaschutz?
Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker: Das wäre wunderbar! Die letzten Studien haben ja eher untertrieben, was die Folgen der Erderwärmung angeht. Experten kennen die Daten seit zehn Jahren. Nun wacht auch der Rest der Welt endlich auf.

BILD: Ist das Bibelwort «Macht euch die Erde untertan» nicht mehr gültig?
Weizsäcker: Alle grossen Religionen sind zu einer Zeit entstanden, als der Mensch noch gegen die Natur kämpfen musste, um zu überleben. Heute scheint es eher umgekehrt: Die Natur muss ums Überleben kämpfen. Der Mensch ist der entscheidende Faktor geworden, der die Erdoberfläche verändert.

BILD: Der Mensch – ein Schädling der Natur?
Weizsäcker: Ja, wir sind zum entscheidenden Störfaktor der Natur geworden! Es gibt den makabren Witz: «Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: Du siehst aber schlecht aus! – Darauf der andere: Ja, ich habe ‹Homo sapiens› – Ach so, Menschen! Mach dir nichts draus, das geht vorüber!»
BILD: Muss der Mensch sich selbst ausrotten, um die Erde zu retten?
Weizsäcker: Natürlich nicht. Ich glaube an die Vernunft der Menschheit. Sie wird einen Ausweg finden.

BILD: «Seid fruchtbar und mehret euch» – auch das ein Irrtum der Bibel?
Weizsäcker: Heute müsste es heissen: Seid fruchtbar, aber vermehrt euch in Massen. Wir Europäer haben das Problem der Überbevölkerung bloss exportiert. Nach wissenschaftlichen Berechnungen braucht z. B. jeder Deutsche vier Hektar Erdoberfläche, um seinen Verbrauch zu decken. Nach dieser Rechnung müsste Deutschland etwa neunmal so gross sein wie jetzt. Unser Glück ist: Wir importieren unsere Waren aus der ganzen Welt. Das Problem Überbevölkerung ist also nicht auf die Dritte Welt beschränkt.